Ein langhaariger Hund sieht aus dem halb geöffneten Fenster eines Autos

Wenn dem Hund beim Autofahren schlecht wird

Viele kennen es von Familienausflügen: Bei Stop-and-Go, auf kurvenreichen Straßen oder bei rasanter Beschleunigung muss sich früher oder später einer übergeben – meist eines der Kinder. Bei Hunden verhält es sich manchmal nicht anders. Auch etliche Bellos, vor allem die Welpen, leiden unter Reiseübelkeit, einem Symptom der Reisekrankheit. Experten schätzen, dass immerhin rund 15 -20 % aller Hunde betroffen sind.

„Viele Hundehalter:Innen nehmen das leider als gegeben hin und kommen gar nicht auf die Idee, ihren Tierarzt, ihre Tierärztin um Rat zu fragen. Dabei lässt sich Reisekrankheit gut in den Griff bekommen“, berichtet Tierärztin und Verhaltenstherapeutin Astrid Schubert vom Tiergesundheitszentrum München.

Warum wird deinem Hund beim Autofahren übel und was kannst du dagegen tun? Das erfährst du hier.

Reisekrankheit bzw. Kinetose:

Die Ursache liegt häufig im Innenohr

Mensch und Hund haben einiges gemeinsam. Das gilt auch für die Reisekrankheit, die so genannte Kinetose. So nennen Mediziner die Reaktion von Menschen und Tieren auf ungewohnte Bewegungen des Untergrunds, wie man sie beispielsweise im Auto oder auf einem Schiff erlebt.

Die Ursache für die Kinetose liegt im Innenohr. Dort sitzt das Gleichgewichtsorgan, das Drehungen und Beschleunigungen verarbeitet. Wenn das Auge den Bewegungen nicht folgen und diese nicht abgleichen kann, kann auch das Gehirn die Informationen im Innenohr nicht richtig deuten. Das Gehirn sendet eine Fehlermeldung. Die Folge: Dein Hund kämpft mit Übelkeit (Nausea). Er speichelt, leckt sich die Lippen, schluckt vermehrt und erbricht sich sogar. „Bei Welpen passiert das besonders häufig, weil ihr Gleichgewichtsorgan noch nicht vollständig ausgebildet ist“, erklärt Tierärztin Astrid Schubert.

Wann ist das Gleichgewichtszentrum beim Welpen voll ausgebildet?

Wie beim Menschen spielt auch beim Hund das Gleichgewichtszentrum eine wichtige Rolle für die Koordination von Kopf, Körper und Extremitäten im Raum. Und es braucht Zeit und Training, bis es vollständig ausgereift ist und uns und unsere Vierbeiner stabil auf den Beinen stehen lässt. Beim Hund kann das je nach Rasse (es gibt Frühentwickler und Spätentwickler), Endgröße des Hundes und abhängig von individuellen Besonderheiten unterschiedlich lange dauern. Jeder Welpe reift in seinem eigenen Tempo.

Grundsätzlich lässt sich sagen: Beim Welpen entwickelt sich das Gleichgewichtszentrum ab einem Alter von etwa zwei Wochen und ist mit etwa drei bis vier Monaten voll ausgebildet.

Woran liegt’s:

Kinetose oder Angst vorm Autofahren?

Manchmal entwickeln Hunde aber auch deshalb eine Reisekrankheit, weil sie ganz einfach Angst vor dem Autofahren haben – zum Beispiel, weil sie eine schlechte Erfahrung damit verbinden oder weil sie überhaupt keine Erfahrung haben und sie das ungewohnte Schaukeln verunsichert. In diesen Fällen hilft:

  • Üben, üben, üben. Erst mit sehr kurzen Fahrten zu hundegerechten Orten beginnen und die Distanzen langsam steigern.
  • Schon vor der ersten Fahrt an die Transportbox gewöhnen.
  • Auto immer gut durchlüften und für den Hund angenehm kühl halten (Klimaanlage, Fenster öffnen)
  • Längere Fahrten mit ausreichend Pausen für einen schönen Spaziergang unterbrechen (nicht bloß ein Stopp auf dem Rastplatz).
  • Und vor allem: ruhig bleiben! Hunde spiegeln unser Verhalten. Wer also Angst hat, dass der Hund die Autofahrt womöglich nicht gut verkraften wird, trägt dazu bei, dass genau das passiert.
  • Bei den Übungsfahrten möglichst wenig Kurven fahren, starkes Bremsen oder schnelles Anfahren vermeiden.

Wenn du nicht sicher bist, ob deinem Hund aus Angst und Nervosität schlecht wird oder ob er tatsächlich das Autofahren nicht verträgt, solltest du das mit deiner Tierärztin oder deinem Tierarzt besprechen. Der kann Medikamente geben und so eine Ausschlussdiagnose feststellen.

Wie wir aus einem Autohasser einen lässigen Beifahrer und leidenschaftlichen Wohnmobil-Hund gemacht haben, erfährst du hier:

Das hilft gegen Reisekrankheit (Kinetose)

In schweren Fällen lässt sich das Autofahren aber kaum trainieren, weil der Vierbeiner direkt mit Übelkeit und Erbrechen reagiert. Dann können Medikamente und alternative Behandlungsmethoden unterstützen.

Medikamente von Tierärzt:innen

Pflanzliche Mittel

Alternative Behandlungsmethoden

Nicht ohne Rücksprache eigene Medikamente nutzen

Soll der Hund vor der Fahrt etwas fressen?

Ein Hund mit langen Ohren frisst auf einer Wiese aus einem silbernen Napf

Sensiblen Hunden bekommt das Autofahren oft besser, wenn sie etwas im Magen haben.

Sollte der Hund vor der Fahrt eigentlich etwas fressen? Hier gehen Meinungen und Erfahrungen auseinander. Während viele Mediziner:Innen empfehlen, dass der Vierbeiner nüchtern bleibt, galt bei  unserer Hanni die Regel: Hat sie nichts im Bauch, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich bei Stop and Go übergeben muss.

Es gibt also auch hier – genauso wie bei uns Menschen – individuelle Unterschiede. Woran liegt das? Astrid Schubert erklärt: „Genau wie manche Menschen produzieren manche Hunde bei Stress sehr viel Magensäure, was dann zu Erbrechen von gelblichem Schaum führt. Das kann während des Autofahrens passieren, ist aber auch in anderen Situationen möglich.“

Erbrechen auf nüchternen Magen wird häufiger bei Hunden beobachtet, die generell empfindlich auf Stress reagieren. Diese Hunde profitieren von mehreren, kleinen Mahlzeiten am Tag – auch vor dem Autofahren.

Was tun im akuten Fall von Reiseübelkeit?

Wenn du bereits unterwegs bist und Symptome bemerkst, solltest du möglichst rasch anhalten. Ein kurzer Spaziergang mit deinem Vierbeiner entspannt und beruhigt ihn. Fahr danach möglichst ruhig weiter, vermeide ruckartiges Anfahren und Bremsen.

Durchlüfte das Auto gut. Und entferne starke Lufterfrischer. Die selbst für uns Menschen sehr intensiven Raum-Parfums nehmen unsere Vierbeiner mit ihren feinen Nasen noch um ein Vielfaches stärker wahr – und das kann dem einen oder anderen auch ziemlich auf den Magen schlagen.

Über Dr. Astrid Schubert

Dr. Astrid Schubert ist Gründerin des www.tgz-muenchen.de und der SIRIUS Hundeschule (hundeschule-muenchen.info). Außerdem ist sie Organisatorin der Münchner Fortbildungen, einer Fortbildungsreihe für Tierärzt:innen und Tierarzthelfer:innen. Sie ist Autorin zahlreicher ...
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