Wandern mit Welpen: Wie schütze ich meinen jungen Hund vor Überforderung?
Junge Hunde kennen keine Grenzen. Sie spielen und rennen, bis sie wortwörtlich umfallen. Muss ich meinen Welpen einbremsen? Wie lange darf ich mit ihm Gassi gehen? Und kann ich mit einem jungen Hund schon wandern? Unsere Erfahrungen und die Antworten von Expert:innen findet ihr hier.
Wie lange gilt ein Hund als Welpe?
Tierärzt:innen bezeichnen Hundekinder als Welpen bis zu einem Alter von 6 bis 9 Monaten. Der Übergang zum Junghund ist fließend. Große Rassen zählen in der Regel zu den Spätentwicklern, kleine Hunde entwickeln sich schneller.
Für alle Rassen und Größen gilt: Spätestens dann, wenn der Hund seine Milchzähne verliert, beginnt die „Hundepubertät“ und damit ein neuer Lebensabschnitt: die Junghundzeit.
Wie oft brauchen Welpen Pausen beim Spielen und Spazierengehen?
In den allerersten Lebensmonaten brauchen Welpen in kurzen Abständen mindestens kurze Pausen. Als grobe Richtschnur gilt hier die alte Faustregel: Pro Lebensmonat sollte der Hunde nicht länger als etwa 5 Minuten am Stück aktiv sein. Beim Gassigehen kommt man also nicht weit. An Spaziergänge, gar Wanderungen ist in den ersten Wochen nicht zu denken.
Davon abgesehen will ein sehr junger Welpe meist auch nicht Strecke machen, sondern mit anderen Hundekindern spielen. Das macht ihm nicht nur Spaß und trainiert sein Sozialverhalten. Das normale Welpenspiel hilft ihm auch, Muskel-, Band-, Sehnen-, Knochen- und Knorpelstärke zu entwickeln und seine Koordination zu schulen. Außerdem trägt es dazu bei, ein besseres Gefühl für sich selbst zu bekommen. Fachleute sprechen hier von Propriozeption. Das bedeutet: die Wahrnehmung des eigenen Körpers nach dessen Lage im Raum sowie das Empfinden für Schwere, Spannung, Kraft und Geschwindigkeit. Wer seinen gesunden Welpen mit Altersgenossen in seiner Gewichtsklasse spielen lässt, wird später vermutlich einen trittsicheren Begleiter an seiner Seite haben.
Doch auch beim Spiel gilt genauso wie auf Spaziergängen:
- Ermüdung ernst nehmen: Behalte deinen Welpen immer im Blick. Wenn er Ermüdungserscheinungen zeigt, sich hinsetzt oder hinlegt oder beim Toben mit anderen versucht, sich der Situation zu entziehen, solltest du das ernst nehmen – und handeln.
- Auszeit geben: Mach eine Pause, wenn du an deinem Welpen Zeichen für Erschöpfung bemerkst. Setz dich dazu am besten hin und signalisiere ihm so, dass er jetzt nichts verpasst. Wehre aufdringliche Spielkameraden in den Pausen von ihm ab. So kann er neue Kraft tanken.
- Ende setzen: Wenn der Welpe kein Ende findet, setz du ihm ein Ende. Auch hier kannst du dich zumindest bei sehr jungen Welpen an der Faustregel „5 Minuten Aktivität am Stück pro Lebensmonat“ orientieren.
Wandern mit Welpen: Schadet das meinem Hund?
Je nach Rasse, Neigung und Persönlichkeit eines Welpen kann dein Hundekind schon deutlich vor dem Zahnwechsel Spaß an Spaziergängen entwickeln. Mit kurzen Runden von 1 oder 2 km Länge will er sich nicht mehr begnügen. Was dann?
Wir haben genau das mit unserem rumänischen Hüte-Wachhund-Mix Amos erlebt. Zunächst versuchten wir, ihn einzubremsen. Dabei hatten wir stets die Faustregel „5 Minuten Aktivität pro Lebensmonat“ im Kopf. Doch mit rund 5 Monaten zeigte uns Amos sehr deutlich, dass ihm das nicht reichte. Also bauten wir unsere Spaziergänge zu leichten Wanderungen aus. Dabei achteten wir jedoch darauf, dass die Strecke eben verlief, Amos also keine starken Gefälle bergauf und bergab bewältigen musste und auch nicht hoch oder tief springen musste, wie es beispielsweise bei Bergwanderungen oft nötig ist.
Intuitiv haben wir mit diesen Vorsichtsmaßnahmen wohl zumindest nichts falsch gemacht. Denn neuere Studien deuten darauf hin, dass eher die Art und nicht die Dauer der Belastung medizinisch einen Unterschied machen.
Riskant für Gelenkknorpel und Wachstumsfugen eines gesunden Welpen sind vor allem
- tiefe Sprünge
- dauerhaft erschütternde Bewegungsabläufe wie etwa das Rennen, Stoppen und Drehen beim Jagen eines Balls
- Treppensteigen. Mindestens bis zum Alter von 3 Monaten sollte der Welpe keine Treppen steigen, um das Risiko für Gelenkerkrankungen zu minimieren.
Dagegen ist ausdauerndes Laufen auf ebenem Untergrund bei Welpen und Junghunden eher förderlich für Knorpelwachstum und Knorpelsteifigkeit. Das hat der amerikanische Tierorthopäde, Sportmediziner und Rehabilitationsexperte Dr. Darryl L. Millis in einer groß angelegten Studie gezeigt. Der Kieler Dogscooting-Experte Andreas Fuchs hat sich die Mühe gemacht, Millis Abhandlung zu übersetzen. Sehr spannend für alle, die tiefer ins Thema eintauchen wollen.
Risiko Gelenkerkrankungen: Welche Welpen und Junghunde brauchen besondere Schonung?
Faustregeln, selbst wissenschaftliche Studien können nur eine Orientierung liefern. Im Einzelfall hängt viel von der Genetik und den individuellen körperlichen Voraussetzungen deines Welpen ab. Was für das eine Hundekind gilt, muss für das anderen nicht auch zutreffen. Das wissen wir leider aus eigener Erfahrung.
Unser Amos, der uns schon im Alter von 5 Monaten auf leichten Wanderungen ohne böse Folgen begleitete, ist mittelgroß und quadratisch gebaut. Ganz anders unser allererster Hund Hemingway, ein Hovawart. Hovawarts sind groß und rechteckig gebaut. Das Gewicht verteilt sich also nicht so optimal wie bei einem quadratischen Körperbau. Hinzu kommt, dass viele Hovawarts beim Spiel wilde Bocksprünge aus der Schulter heraus einlegen, Schulter und Knie also immer wieder stark belasten. Und: Die Rasse neigt zu OCD.
Die Osteochondrosis dissecans ist eine häufige Erkrankung des Gelenkknorpels. Sie zeigt sich vor allem bei schnell wachsenden mittelgroßen und großen Rassen, oft im Alter zwischen 5 und 12 Monaten. Bei Hunden mit OCD können schon bei normaler Belastung Risse im Knorpel entstehen und sich das Knorpelstück mit dem darunterliegenden Knochengewebe ablösen. Diese Knorpelschuppe, auch „Gelenkmaus“ genannt, stört oft den normalen Bewegungsablauf des betroffenen Gelenks und kann Entzündungen auslösen. Der Hund lahmt plötzlich, hat Schmerzen. Wir wussten nicht, dass jeder Welpe und gerade ein junger Hovawart nötigenfalls eingebremst werden muss. Wir ließen Hemingway laufen und springen – und unser Hund bekam die Quittung für unsere Ignoranz. Eine Gelenkmaus in der Schulter, die herausoperiert werden musste. Glücklicherweise erholte er sich vollständig.
Wer schon mit Welpen und Junghunden länger unterwegs sein möchte, sollte sicher sein, dass der Hund
- frei ist von Hüft- und Ellbogendysplasie.
- keine genetischen Tendenzen zu Erkrankungen wie OCD aufweist.
- kein Übergewicht hat. Etliche Studien legen nahe, dass Übergewicht bei Welpen und Junghunden ein starker Risikofaktor für spätere Gelenkerkrankungen wie etwa Ellenbogenarthritis ist.
Trifft einer oder mehrere der genannten Risikofaktoren auf deinen Welpen oder Junghund zu, braucht er besondere Schonung. Wer hier unsicher ist, sollte unbedingt seine Tierärztin oder seinen Tierarzt um Rat fragen. Unserem Hemingway hätten wir bei entsprechender Schonung sicherlich Schmerzen und eine OP ersparen können.
Wann sind Junghunde fit genug für lange Wanderungen?
Eine Faustregel, die auch hier als grobe Richtschnur dienen kann, formuliert die Münchner Tierärztin Stephanie Rothin: „Kleine Hunde sind schneller körperlich entwickelt als große, dementsprechend ist ihr Bewegungsapparat ab etwa einem Jahr ausreichend stabil. Bei größeren Hunden kann das bis zu zwei Jahren dauern.“ Bei kleinen Hunden kann man also davon ausgehen, dass sie mit etwa einem Jahr fit genug sind, um auch längere Wanderungen gut mitmachen können, wenn ihr entsprechende Pausen einlegt. Bei großen Hunden 2 Jahre warten.
Vorsicht bei Wachstumsschüben
Wenn dein Junghund gerade Wachstumsschübe durchmacht, gilt besondere Vorsicht. In diesen Phasen ist er nur reduziert belastbar. Das ist gut nachvollziehbar, denn in diesen Wachstumsschüben siehst du schon, dass dein Hund hinten schneller wächst als vorne oder umgekehrt. Klar, dass mit diesen körperlichen Einschränkungen keine langen Touren möglich sind.
Wenn du deinen jungen Hund überforderst, gibt es zwei ernsthafte Risiken. Das eine besteht darin, dass die Muskulatur vor Ende der Wanderung schlapp macht oder die Konzentration nachlässt. Abgesehen davon, dass dein Hund möglicherweise die Lust am Wandern verliert, sind Fehltritte mit hohem Verletzungsrisiko die mögliche Folge. Leider treffen wir auch immer mal wieder Hunde, die aufgrund eines solchen Unfalls über viele Monate außer Gefecht gesetzt waren. Von den Schmerzen und den Behandlungskosten mal ganz abgesehen.
Das zweite Risiko besteht in einem übermäßigen Verschleiß, der im Alter zu Gelenkerkrankungen und Rückenproblemen führen kann. Das Risiko steigt, wenn der junge Hund auf fordernden Wanderungen starke Gefälle überwinden und viel springen muss, sein Körper also dauerhaft Erschütterungen ausgesetzt ist.
Nach unseren frühen bitteren Erfahrungen mit Hemingway sind wir sehr vorsichtig geworden. Seither haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, mit anspruchsvollem Gelände und ersten fordernden Touren in den Berge zu warten, bis der Hund seine endgültige Körpergröße erreicht hat und auch im Kopf „gereift“ ist, sich also gut auf seine Schritte und Sprünge konzentrieren kann.
Unsere Tipps für Wanderungen mit jungen Hunden:
- Tour gut planen: Nichts ins Blaue marschieren, sondern vorher schauen, ob Schwierigkeitsgrad und Streckenlänge zu Alter und Fitnesslevel deines Hundes passen.
- Point of Return bestimmen: Bei der Tourenplanung solltest du einen fixen Punkt bestimmen, an dem du anhand der Verfassung deines jungen Hundes entscheidest, ob du umkehrst oder die ganze Tour gehst. Ein solcher Point of Return, so unsere Erfahrung, senkt die Gefahr, sich von der Wanderlust wegtragen zu lassen und blind zu werden gegenüber Ermüdungserscheinungen deines Hundes.
- Pausen einplanen: Lege bei der Streckenplanung bereits geeignete Orte für Pausen fest.
- Hunderucksack mitnehmen: Wer auf Nummer Sicher gehen will, nimmt einen Hunderucksack mit auf die Wanderung. Im Fall des Falles lässt sich der Hund damit über weitere Strecken gut transportieren und dir werden die Arme nicht lahm. Gute Erfahrungen haben wir mit dem dog carrierer backpack von Amelia Nest gemacht.
- Im Zweifelsfall: Lieber Hund unterfordern als überfordern!
Wenn du mit deinem Hund nicht nur wandern, sondern auch auf Reisen gehen möchtest mit Wohnmobil, Wohnwagen oder Zelt, solltest du ihn früh ans Autofahren und Campen gewöhnen. Dafür ist er nie zu jung. 🙂