Begegnungen mit Kühen
Die Berge sind nicht nur ein wunderbarer Ort für ausgedehnte Touren mit Hund, sie sind seit vielen Jahrhunderten auch natürlicher Lebensraum für Weidetiere. In der Weidesaison – meist zwischen Mai und September – lassen sich Ziegen, Schafe und Rinder das nahrhafte natürliche Futter schmecken. Der Raum für diese Weidewirtschaft wird immer kleiner, auch weil immer mehr Menschen den Genuss an Bergtouren mit Hund entdecken. Dazu kommen Mountainbiker, die neue Trails suchen oder sich mittels E-Bike in bisher unmögliche Höhen begeben. Wir wollen das nicht beurteilen, glauben aber, dass ein paar Hinweise helfen können, ein verträgliches Miteinander speziell zwischen Bergwanderern mit Hund und Weidetieren zu garantieren.
Jungrinder oder Mutterkuhherde?
Kühe sind keine aggressiven Tiere, aber sie sind mit 500 bis 800 Kilo Lebendgewicht einfach zu schwer, selbst wenn sie dich oder deinen Hund nur „anstupsen“. Auf den Almen treffen wir meist zwei unterschiedliche Sorten von Kuhherden. Da sind zum einen die Gruppen von jungen Rindern. Die sind in der Regel noch keine zwei Jahre alt, werden also noch nicht gemolken und können deshalb den ganzen Sommer auf den Almen verbringen. Dieses Jungvieh ist ungestüm, neugierig und verspielt. Wer also mit seinem Hund in eine solche Gruppe gerät, wird gerne mal verfolgt oder umringt und beschnuppert. Da Kühe auf kurzen Strecken bis zu 40 km/h schnell sind, ist Wegrennen keine Option
Die zweite Gruppe von Rindern, die wir auf den Almen antreffen sind sogenannte Mutterkuhherden, also Kühe mit ihren Kälbern. Mit diesen Mutterkuhherden gibt es die meisten Missverständnisse. Und daran ist in der Regel nicht die Kuh schuld. Sondern meist der Mensch mit Hund. Weil er die niedlichen kleinen Kälbchen streicheln möchte oder weil er unterschätzt, dass jede Mutter mit einem gesunden Instinkt ihr Jungtier verteidigt.
Was sollte man über Kühe wissen?
Um solche Missverständnisse zu vermeiden und die daraus resultierenden Gefahren auszuschließen, ist es wichtig, sich ein paar Dinge klarzumachen:
- Das Auge der Kuh ist mit seinen langen Wimpern wunderschön anzusehen, funktioniert aber anders als das menschliche Auge. Die Kuh hat ein Blickfeld von etwa 330 Grad, nur das was direkt hinter ihr passiert kann sie nicht sehen, ohne den Kopf zu drehen. Wenn du dich also einer Kuh von hinten näherst, ist klar, dass sie erschrickt. Das räumliche Sehen und das Farbsehen sind bei Kühen weniger ausgeprägt als bei Menschen. Sie brauchen also etwas länger, um zu erkennen, ob es sich bei dem was sie sehen, um einen gefährlichen oder ungefährlichen Gegenstand handelt. Und Mutterkühe handeln lieber, anstatt zu lange zu warten. Dazu kommt, dass Kühe etwa 60 Bilder pro Sekunde wahrnehmen, bei uns ist es nur rund ein Drittel. Schnelle Bewegungen werden von Kühen also eher als hektisch und bedrohlich angesehen. In Kombination mit dem eingeschränkten dreidimensionalen Sehen weiß eine Kuh also erst recht spät, ob du schnell auf sie zu oder schnell von ihr wegrennst.
- Kühe reagieren empfindlich auf Stress. Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis sich ihr Herzschlag nach einer Stresssituation wieder beruhigt. Wenn vor dir und deinem Hund also laut johlende Wandergruppen respektlos an der Herde vorbei gegangen sind, musst du damit rechnen, dass die Kühe sich schneller verteidigen.
- Kühe haben ein gutes Gedächtnis. Wenn also die Herde schon mal schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht hat, kann es sein, dass sie auf dich und deinen Hund schneller reagiert.
Warnsignale erkennen und reagieren
Wenn eine Kuh meint, sich oder ihr Jungtier verteidigen zu müssen, geschieht das meist in drei Stufen:
- Eines oder mehrere Tiere der Herde fixieren dich und deinen Hund.
Das was sie als vermeintliche Gefahr ausgemacht haben, lassen sie logischerweise nicht aus den Augen. Wenn du das bemerkst, versuche dich schnell, aber ohne Hektik auf dem kürzesten Weg aus dem Sichtbereich der Kühe zu entfernen. - Die Kühe senken den Kopf und beginnen zu schnauben.
Damit machen sie klar, dass sie es auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen. Auch hier gilt es, ohne Hektik möglichst viel Raum zwischen dich und die Kuh zu bringen. - Eine oder mehrere Kühe kommen in hohem Tempo auf dich zu.
Die letzte Phase. Nur Weltklassesprinter können einer Kuh davonlaufen, wenn du also nicht wirklich viel Abstand hast, solltest du deinen Hund ableinen, er allein hat noch eine Chance. Wenn möglich, solltest du Schutz hinter Bäumen oder einem Holzstapel suchen. Wenn all das nicht möglich ist, mach dich groß, breite die Arme aus und versuche, die Kuh mit lauten und selbstbewussten Rufen zum Abdrehen zu bewegen. Wenn auch das nicht mehr funktioniert, schütze dich vor schweren Verletzungen, indem du mit einem Stock oder dem Griff deines Wanderstabs auf die Nase der Kuh zielst. Dort ist eine der schmerzempfindlichsten Stellen.
Regeln beim Zusammentreffen von Hund und Kuh
Die Almen und Weiden sind das Reich der Kühe, wir sind hier nur zu Gast und verhalten uns entsprechend rücksichtsvoll. Das heiß für uns übrigens aucht: Jede Art von Müll muss von der Weide beseitigt werden, auch Hundekot. Eigentlich überall eine Selbstverständlichkeit, hier aber von allergrößter Wichtigkeit, um das Leben der Kühe nicht zu gefährden.
Kühe in Ruhe lassen Kälber und Kühe sind ungeeignete Kuscheltiere, man sollte sie weder anlocken noch streicheln und definitiv nicht füttern.
Möglichst viel Abstand halten Auf einer Weide leinen wir unsere Hunde an und wir versuchen immer, die Weide mit möglichst großem Abstand zu den Kühen zu überqueren. Wichtig: Kühe können deutlich besser riechen als sehen. Deshalb versuchen wir immer so über die Weide zu gehen, dass der Wind unseren Geruch in die andere Richtung weht.
Hund und Kühe getrennt halten Wenn die Kühe sich aus Neugierde nähern, gehen wir langsam weiter. Wenn wir zu mehreren sind, nehmen wir die Hunde zwischen uns.Wenn die Kühe sich schnell nähern, leinen wir unseren Hund ab und schicken ihn möglichst weit weg. Wir selbst bleiben stehen, breiten die Arme aus und bringen die Kühe mit lauten Rufen zu einer Richtungsänderung. Wenn wir zu mehreren sind, geht einer mit dem angeleinten Hund weiter.
Wenn nötig Schutz suchen Wenn Kühe den Kopf senken und schnauben sind sie aufgeregt und bereit, sich gegen mögliche Eindringlinge zu verteidigen. Dann suchen wir umgehend den nächstmöglichen Platz auf, der Schutz bietet.
In vielen Regionen Europas kehren die großen Raubtiere zurück. Luchs und Wolf beanspruchen mit den Bergregionen wieder ihren natürlichen Lebensraum. In Frankreich, der Schweiz, Italien oder Slowenien setzen die Schäfer daher seit einigen Jahren wieder vermehrt auf den Schutz der Schafherden durch Herdenschutzhunde. Auch in Deutschland trifft man wieder mehr dieser imposanten, wachsamen, aber nicht aggressiven Tiere. Sie tun das, wozu sie seit Jahrhunderten bestimmt sind, nämlich ihre Herde vor Räubern jeder Art zu beschützen. Selbstbewusst, bestimmt, aber nie bösartig.
Wer beim Bergwandern mit Hund auf Herdenschutzhunde trifft, sollte daher vor allem nicht in Panik geraten, wenn diese stattlichen Hunde mit ihren 50 oder 60 Kilo laut bellend auf einen zukommen. Sie wollen in erster Linie klarmachen, dass du das Gebiet, das sie für sich und ihre Herde beanspruchen nicht betreten sollst. Stehenbleiben, Abstand halten und den eigenen Hund kontrolliert neben sich laufen lassen, reicht meist aus.
Das Schweizer Informations- und Aktionsnetzwerk naturschutz.ch rät davon ab, in Gegenden mit Herdenschutzhunden den eigenen Hund zum Bergwandern mitzunehmen.
Weil er – und sei sie auch noch so weit entfernt – eine Verwandtschaft zum Wolf aufweist und damit von den Herdenschutzhunden als potenzielle Gefahr angesehen wird. In der Schweiz ist das auch machbar, weil alle Weiden mit Schutzhunden auf interaktiven Karten markiert sind.
In den meisten anderen Regionen Europas warnen spezielle Hinweisschilder vor den geschützten Herden. Wenn du also erst in dem Moment erkennst, dass hier Herdenschutzhunde bei der Arbeit sind, gilt es sich besonnen zu verhalten. Wir stimmen hier absolut mit den Empfehlungen der Schweizer Naturschützer überein:
- Hinweistafeln beachten
- Ruhig bleiben, wenn die Schutzhunde bellen und dir entgegenkommen
- Nicht direkt weiter auf den Hund zugehen, sich vom Hund abwenden und ihn und die Herde möglichst weiträumig umgehen
- Die Hunde nicht mit Stöcken oder schnellen Bewegungen provozieren
- Herdenschutzhunde weder streicheln, füttern, noch mit ihnen spielen
- Ignorieren, wenn sie dir beim Weitergehen folgen
- Den eigenen Hund davon abhalten, sich der Herde weiter zu nähern
- Nur im Notfall den eigenen Hund anleinen, weil Schafhirten die Erfahrung gemacht haben, dass angeleinte Hunde eher von den Herdenschutzhunden attackiert werden
- Wird der angeleinte Hund bedrängt oder angegriffen, sofort ableinen, um eine möglichst ungehinderte und artgerechte Kommunikation zu ermöglichen
In Anlehnung an die Empfehlungen von www.naturschutz.ch